Ausgabe 2/2023

Eine kurze Einführung in die Fragestellung dieses Heftes (81–90)
Editorial

Eine alttestamentliche Spurensuche (91–95)
Fachbereich: Biblische Theologie

Der Mensch coram deo aus alttestamentlicher Perspektive (96–100)
Fachbereich: Biblische Theologie

Schöpfung und Erlösung in Kol 1,15–20 (101–105)
Fachbereich: Biblische Theologie

Eine Bestandsaufnahme aus Sicht der kirchlichen Zeitgeschichte (106–109)
Fachbereich: Historische Theologie und Dogmengeschichte
Copyright: Michael Schwettmann

Inkarnation kosmologisch gedacht (110–113)
Fachbereich: Historische Theologie und Dogmengeschichte

Eschatologie und Anthropozentrik im Licht einer Passage der Enzyklika Laudato si‘ (114–118)
Fachbereich: Historische Theologie und Dogmengeschichte

Fachbereich: Fundamentaltheologie und Dogmatik

Fachbereich: Fundamentaltheologie und Dogmatik

Warum die anthropologische Wende erst am Anfang ist (129–133)
Fachbereich: Philosophie
Copyright: Marlène Heinzinger

Fachbereich: Philosophie

Fachbereich: Philosophie

Fachbereich: Moraltheologie und Sozialethik
Copyright: Lehrstuhl Christliche Gesellschaftslehre, Uni Freiburg

Fachbereich: Moraltheologie und Sozialethik

Eine Kehrtwende in der Religionspädagogik? (153–157)
Fachbereich: Praktische Theologie
Copyright: Antonia Gärtner

Fachbereich: Praktische Theologie
Copyright: Antje Kern

Fachbereich: Praktische Theologie

Die anthropologische Wende für das 21. Jahrhundert weiterdenken (168–171)
Fachbereich: Praktische Theologie

Panentheistische Überlegungen zur Überwindung eines Anthropozentrismus (172–176)
Fachbereich: „Von außen“

Fachbereich: „von außen“
Ausgabe 1/2023

Zur Bedeutung eines alten griechischen Textzeugen für die Theologie des Buches Ezechiel (3–16)
DE: In Papyrus 967 ist eine literarische Variante des Buches Ezechiel bezeugt, die in weiten Teilen älter ist als die masoretische Buchgestalt. Ein Vergleich der Theologie der beiden Varianten ermöglicht Rückschlüsse zur Entstehungsgeschichte des Buches Ezechiel und zu den Übersetzungsprozessen zwischen dem Hebräischen und dem Griechischen. Die Verse Ez 33,1–9 liefern Beispiele für literarische Textvarianten, die den Sinn des Abschnitts verändern. Am auffälligsten sind Ergänzungen in den Versen 5 und 7, die im proto-masoretischen Text vorgenommen wurden.
EN: Papyrus 967 testifies to a literary variant edition of the book of Ezekiel, which is older than the Masoretic edition in most parts. Comparing theological implications of the variant editions allows conclusions regarding the book’s history, as well as regarding translation processes between Hebrew and Greek. Ezek 33:1–9 provide examples of literary variants changing the meaning of the passage. Plusses of the proto-Masoretic text in verses 5 and 7 are most obvious.

Vom transformierenden Potenzial des Ezechielbuches (17–30)
DE: Das Ezechielbuch hat Merkmale und Qualitäten, die auch sogenannte Übergangsriten (rites de passage) teilen: Sie enthalten einen Prozess, der über eine Schwellenphase hinweg in einen neuen Status führt. Dieser Prozess ist jeweils durch Symbole kodiert, wobei häufig Raumsymbolik eine Rolle spielt. Durch das Lesen oder Hören auf das Ezechielbuch kann jede Person an der Transformation teilhaben, bis heute.
EN: The Book of Ezekiel has characteristics and qualities that are also shared by so-called rites of passage: They contain a process that leads across a threshold phase into a new status. This process is coded in each case by symbols, with spatial symbolism often playing a role. By reading or listening to the Book of Ezekiel, each person can participate in the transformation, until today.

Traumatheorie und die Eskalation der Gewalt im Ezechielbuch (31–46)
DE: Das Ezechielbuch präsentiert ein provokantes und verstörendes Gottesbild: Gott selbst entfesselt eine schier grenzenlose Gewalt gegen sein Volk, die in für das Alte Testament beispielloser Härte beschrieben wird. In den vergangenen zehn Jahren hat die Rezeption der Traumatheorie und das Verständnis des Ezechielbuches als Traumaliteratur neue Wege eröffnet, mit solchen Texten umzugehen. Anhand einer Analyse von Ez 16 zeigt der Beitrag auf, wie in heutiger Zeit die Gewalttexte der Bibel rezipiert werden können.
EN: The book of Ezekiel represents an image of God that is provocative and disruptive. God himself unleashes an almost infinite violence against his people which is described in unprecedented harshness for the Hebrew Bible. The reception of trauma theory and the reading of the book of Ezekiel as trauma literature has offered new ways of dealing with such texts. By an analysis of Ezek 16, the paper shows how to read the biblical texts of horror in present times.

Literarische Schichtung, Gottesbild und Ethik (47–68)
DE: Der Bericht über Sauls Philisterkriege ist ein Beispiel für einen intratextuellen Diskurs über die Beurteilung von Saul und Jonatan. Der Grundtext ist ein reiner Kriegsbericht. Dieser wird durch eine erste Fortschreibung zur positiven Jonatan-Legende, in der Jonatan im Einklang mit dem Kriegsgott agiert. Eine zweite Fortschreibung überlässt Jahwes direktem Eingreifen das Feld. Eine dritte Fortschreibung revidiert eine negative Jonatan-Legende und führt Sauls Fluch ad absurdum. Die deuteronomistische Redaktion verstärkt das positive Jonatan- und das negative Saul-Bild.
EN: The story about Saul’s war against the Philistines is an example for an intratextual discourse about the judgement of Saul and Jonathan. The basic text is a pure war report. It is transformed into the positive Jonathan legend by a first revision, in which Jonathan acts in unity with the God of war. A second revision hands over the field to Jahwe’s direct intervention. A third Fortschreibung revises a negative Jonathan legend and leads Saul’s oath to absurdity. The deuteronomistic redaction intensifies the positive image of Jonathan and the negative image of Saul.
Ausgabe 4/2022

Urteilen und Handeln im Sinne der Bibel (258–274)
DE: Der Artikel sucht eine Verbindung zwischen dem Prophetenbuch Amos und Agatha Christies altjüngferlicher, kreativer Detektivin aufzuzeigen. Miss Marple, Prototyp der weisen, wissenden Frau, ein Füllhorn an Erfahrung, Beobachtung und Grundsätzen der Mütter und Vormütter, wird als großartigste aller von Gott je geschaffenen Detektive vorgestellt. In Christies Detektivroman „Nemesis“ (1971) nimmt die Vorstellung der gleichnamigen Rachegöttin oder eher eines Racheengels im Kampf um Recht und Gerechtigkeit in der Zeit nach den Weltkriegen im England des 20. Jahrhunderts Gestalt an in Christies außergewöhnlicher Spürnase.
EN: The present article provides a study of the connection between the prophetical book “Amos” and Agatha Christie’s ingenious spinster detective Miss Marple. This representative character personifying wisdom and knowledge as a cornucopia of experience, observation, precepts handed down to her from earlier generations is introduced as the finest detective God ever made. In Christie’s detective novel “Nemesis” (1971), set after the world wars in 20th century England, the idea of the revenging goddess, or more likely God’s angel fighting for justice and righteousness, takes shape in Christie’s extraordinary sleuth.

DE: Nicht erst Humanismus und Reformation, sondern bereits die frühchristliche Soteriologie begründete die Idee einer dreiteiligen Weltgeschichte, die sich noch in Epochenbezeichnungen wie dem „Konstantinischen Zeitalter“ und der „Postmoderne“ fortsetzt. Im Kern schließt die all ihren Varianten zugrunde liegende gedanklich Figur unweigerlich so starke Wertungen ein, dass sie in der (kirchen-)historischen Forschung keinesfalls unreflektiert verwendet werden sollte.
EN: 16th century humanists and church reformers were not the first to employ the idea of a “Middle Age”, but it stems in fact from early Christian soteriological thinking and is still present in designations like the “Constantinian Age” and “Postmodernity”. At its core, the notional figure underlying all its variants is inevitably judgmental to a degree that strongly dissuades its improvident use in the study of (church) history.

Einige kirchenrechtliche Aspekte (291–309)
DE: Der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken getragene Synodale Weg hat Anfang 2022 den Handlungstext „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“ verabschiedet, der ein seit Jahrzehnten bestehendes Anliegen aufgreift. Dieser Beitrag zeigt die gesamtkirchen- und konkordatsrechtlichen Vorgaben (Abschnitt 1) sowie die ekklesiologischen Ansätze und Argumentationen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) auf (Abschnitt 2), um dann Aspekte der praktischen Umsetzung zu reflektieren (Abschnitt 3).
EN: Early in 2022, the Synodal Path of the German Bishops’ Conference and the Central Committee of German Catholics adopted a text entitled “Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs” that takes up a request existing for decades. This article discusses the churchwide requirements and the arrangements of concordance law (part 1) as well as the ecclesiological approaches and reasoning after the Second Vatican Council (1962–1965) (part 2), in order to then reflect some aspects of the practical implementation (part 3).

Katholische Beurteilung von Impact Investing nach Laudato si’ (310–317)
DE: Der Beitrag widmet sich auf der Basis jüngerer vatikanischer Impulse zur Finanzethik der Frage, wie das Streben nach Gewinn durch dessen Orientierung an ethischen Parametern der Förderung eines global gedachten Gemeinwohls dienen kann. Im Fokus steht dabei die sozialethische Bewertung und Würdigung des sogenannten Impact Investing, das wirtschaftlichen Profit und sozio-ökologische Benefits auf besondere Weise in Einklang bringt.
EN: On the basis of recent Vatican impulses on financial ethics, this article addresses the question of how the pursuit of profit can serve the promotion of a globally conceived common good through its orientation on ethical parameters. It foucsses on the socio-ethical evaluation and appreciation of so-called impact investing, which reconciles economic profit and socio-ecological benefits in a special way.

Kirchenrechtliche Aspekte (318–324)
DE: In den letzten Jahren erlangte das Phänomen des geistlichen Missbrauchs verstärkt Aufmerksamkeit, das sich jedoch rechtlich schwer greifen lässt. Dieser kirchenrechtliche Beitrag zeigt einige Anknüpfungspunkte auf, die insbesondere aus den grundlegenden Rechten der Gläubigen resultieren. Sie lassen erkennen, dass die Wahrung der Freiheit des Gläubigen und dessen eigene Verantwortung den Seelsorgenden Maßstab ihres Handelns sein müssen, die es in rechtliche Vorgaben zu überführen gilt.
EN: In the past years, the phenomenon of spiritual abuse has gained increased attention, but its legal assessment is difficult. This canonical article discusses some connecting factors which result especially from the fundamental rights of the faithful. They bespeak that the protection of the believer’s freedom and his or her own responsibility have to be benchmarks for workers in the pastoral care which have to be transformed into juridical standards.
Ausgabe 3/2022

DE: Im Rückblick auf seine theologische Biografie fragt der Autor, die erste Quaestio der „Summa Theologiae“ des Thomas von Aquin kommentierend, ob dessen Aussagen zur necessitas huius scientiae heute noch gelten. Es zeigt sich: Seine Argumente für die Theologie werden heute zu Einwänden gegen sie. Kann sich die Theologie von ihrer Bedeutung für andere her legitimieren? Oder treibt man Theologie nur, um weiter Theologie treiben zu können? Diese systemtheoretische Lösung vertritt der Autor.
EN: Looking back on his theological biography, the author asks, commenting on the first Quaestio of Thomas Aquinas’ “Summa Theologiae”, whether his statements on the necessitas huius scientiae still apply today. It turns out that Thomas’ arguments for theology today become objections against it. Can theology legitimise itself from its significance for others? Or does one only do theology in order to be able to continue doing theology? This is the system-theoretical solution the author advocates.

Theologie im Gespräch mit Thomas Ruster (207–211)
DE: Thomas Ruster argumentiert in seiner lectio ultima mit Thomas von Aquin, mit dessen Weise, Theologie zu betreiben, gegen Thomas von Aquin, gegen dessen Überzeugung von der Unverzichtbarkeit und Selbstgewissheit der Theologie. Sein Abschied vom Ultimativen – von einer Theologie, die Herrschaftswissen produziert und unheilvolle Machtverhältnisse stützt – ist beispielhaft dafür, wie Theologie im 21. Jahrhundert betrieben werden sollte: bescheiden nach außen, kritisch nach innen, konstruktiv der Frage entgegen, was heute heilsam sein könnte.
EN:In his lectio ultima, Thomas Ruster argues with Thomas Aquinas, with his way of doing theology, against Thomas Aquinas, against his conviction of the indispensability and self-assurance of theology. His departure from the ultimate – from a theology that produces knowledge of power and supports unholy power relations – is exemplary of how theology should be practised in the 21st century: modestly outwardly, critically inwardly, constructively towards the question of what could be salutary today.

Theologie im Modus der Selbstbeobachtung des Systems „Glaube“? (212–216)
DE: Der von Thomas Ruster eingebrachte Vorschlag, Theologie als Selbstbeobachtungsinstanz und -modus des christlichen Glaubens zu etablieren, eröffnet neue Perspektiven, wenn ihr Selbstverständnis und Status im Wissenschaftskontext diskutiert wird. Allerdings birgt dieses Konzept auch das Risiko einer selbstreferentiellen Abkoppelung von den sozio-kulturellen Konstellationen der Glaubenspraxis und der Reduktion auf eine als Selbstzweck betriebene Theorieproduktion.
EN: Thomas Ruster’s proposal to establish theology as an introspective entity and mode of Christian faith offers new perspectives, as long as the self-understanding of theology and its status in the scientific context is discussed. However, this approach could also result in a disconnecting of theology from the socio-cultural constellations of religious practice and a reduction to a theory production operated as an end in itself.

Einwände gegen Thomas Rusters Abgesang auf den wissenschaftlichen Wert der Theologie (217–221)
DE: Der vorliegende Respons-Beitrag stellt Thomas Rusters These, dass Theologie nur um ihrer selbst willen betrieben wird und erhaltenswert ist, grundlegend infrage. Dagegen wird – soweit im Rahmen einer Replik möglich – eine wissenschaftliche Relevanz der Theologie für das Verständnis von Welt und Mensch behauptet. Diese ergibt sich aus einem kritischen Durchgang durch die von Ruster bemühten drei zentralen Angriffspunkte ehemaliger Relevanzansprüche der Theologie, nämlich einer unheilvollen Soteriologie, eines Verlusts von Welterklärungskompetenz und eines superioristischen Wahrheitsverständnisses.
EN: This response fundamentally questions Thomas Ruster’s thesis that theology is pursued and worth preserving only for its own sake. In contrast, it asserts – as far as possible in the context of a replication – a relevance of theology for the scientific understanding of world and man. This results from a critical review of Ruster’s three central points of attack of theology’s former claims of relevance, namely an ominous soteriology, a loss of competence in explaining the world, and a superioristic understanding of truth.

Theologie zwischen Nüchternheit und Leidenschaft (222–226)
DE: Der vorliegende Beitrag setzt sich in vier knappen Bemerkungen mit Thesen auseinander, die Thomas Ruster in seiner Abschiedsvorlesung mit dem Titel „Wozu noch Theologie?“ vorlegt. Im Blick sind a) Rusters Zugriff auf das entscheidende Problem bei Thomas, b) seine Kritik am soteriologischen Profil der Theologie, c) sein Unbehagen an herrschaftsförmigen Wahrheitsansprüchen sowie d) seine systemtheoretische Profilierung von Theologie.
EN: This article deals in four brief remarks with theses presented by Thomas Ruster in his lectio ultima entitled “Wozu noch Theologie?” The focus is on a) Ruster’s approach to Thomas’ central problem, b) his critique of the soteriological profile of theology, c) his discomfort with repressive truth claims and d) his conceptualisation of theology by means of systems theory.

Eine Würdigung zum 75. Geburtstag (227–243)
Sonderbeitrag / Würdigung und Bibliographie

Die Lehre vom gerechten Krieg und Frieden angesichts des Russisch-Ukrainischen Krieges (244–249)
DE: Unter dem Eindruck des Russisch-Ukrainischen Krieges geht der Beitrag der Frage nach, unter welchen Bedingungen – insbesondere aus der Perspektive einer katholischen Friedensethik – von einem gerechten, moralisch legitimen Krieg gesprochen werden kann. Ausgehend von den Überlegungen des hl. Augustinus werden Vorstufen und Entwicklungslinien der kirchlichen Lehre skizziert und mit den aktuellen Ereignissen verknüpft. Über die Pflicht zur Verteidigung hinaus wird dabei besonders die Pflicht der Staatengemeinschaft zur Unterstützung des sich verteidigenden Staates hervorgehoben.
EN: In light of the war in Ukraine, this article explores the question of under what conditions – especially from the perspective of a Catholic ethic of peace – one can speak of a just, morally legitimate war. Based on the reflections of St. Augustine, the preliminary stages and lines of development of the Church’s teaching are outlined and linked to current events. Beyond the duty to defend, the duty of the community of states to support the defending state is emphasised.
Ausgabe 2/2022

Eine kritische Einführung in Jürgen Habermas’ „Auch eine Geschichte der Philosophie“
(83–103)
DE: Jürgen Habermas’ „Auch eine Geschichte der Philosophie“ ist eine faszinierende Großerzählung zur geschichtlichen Entwicklung des nachmetaphysischen Denkens aus der Symbiose mit dem religiösen Glauben, die auch für das christliche Denken zahlreiche wichtige Anregungen eröffnet. Der vorliegende Beitrag versteht sich als eine Einführung in das Buch, verbunden mit zwei kritischen Nachfragen zur Bedeutung der Religion für das säkulare Bewusstsein und zu Habermas’ Begriff von Metaphysik.
EN: “This Too a History of Philosophy” by Jürgen Habermas is a fascinating master narrative of the historical development of postmetaphysical thinking from its symbiosis with religious belief. It also offers meaningful insights for Christian thinking. The following article provides an introduction into the book and raises two critical questions regarding the importance of religion for secular consciousness and Habermas’s definition of metaphysics.

(104–119)
DE:Mit seinem neuen, umfangreichen Werk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ (2019) setzt Habermas die im Jahr 2001 vollzogene Wende in seiner Einschätzung der Religion fort. Er zeichnet eine „Genealogie nachmetaphysischen Denkens“, derzufolge die Osmose von Philosophie und Theologie, wie sie in der christlichen Spätantike geschehen ist, das philosophische Denken bis heute nachhaltig beeinflusst. Augustinus ist Habermas zufolge der wichtigste Denker dieser Epoche. Der vorliegende Beitrag stellt die Bedeutung des Denkens Augustins für Habermas’ „Genealogie nachmetaphysischen Denkens“ dar und prüft dessen Augustinus-Interpretation kritisch.
EN: In his new, comprehensive book “This Too a History of Philosophy” from 2019, Habermas extends the reversal he began in 2001 concerning his estimation of religion. He outlines a “genealogy of postmetaphysical thought” according to which the osmosis of philosophy and theology, as it occurred in Christian Late Antiquity, has enduringly influenced philosophical thinking. For Habermas, Augustine is the most important thinker of this era. This article delineates the significance Habermas attributes to the thought of Augustine for his “genealogy of postmetaphysical thought” and critically examines Habermas’s interpretation of Augustine.

Martin Luther in der Sicht von Jürgen Habermas
(120–134)
DE: Im Kontext der an Glauben und Wissen orientierten Geschichte der Philosophie spielt Martin Luthers Gnaden- und Rechtfertigungslehre eine über die Theologie selbst hinausgehende Rolle für die gesamte okzidentale Philosophiegeschichte. Die radikale Reduktion und Zentrierung der Theologie auf die Rechtfertigung des Sünders zeitigt eine Reihe von Folgen, die das Verhältnis von Theologie und Soteriologie sowie von Recht und Theologie inklusive des Naturrechts betreffen. Die von Luther exponierte Idee der rettenden Gerechtigkeit beeinflusst bis heute auch die katholische Theologie in ihrer Verhältnisbestimmung von Gott, Mensch und Welt.
EN: In the context of the history of philoso-phy oriented toward faith and knowledge, Martin Luther’s doctrine of grace and justification plays a role that goes beyond theology itself for the entire history of occidental philosophy. The radical reduction and centering of theology on the justification of the sinner provokes a number of conse-quences that affect the relationship between theology and soteriology and the relationship between law and theol-ogy, including natural law. The idea of saving justice exposed by Luther still determines Catholic theology in its definition of the relationship between God, man, and the world.

(135–150)
DE: Ausgehend von den Stationen der Entwicklung zum postmetaphysischen Denken zeigt der Aufsatz einen Zusammenhang zwischen der Wahl des „paulinischen Christentums“ als dem religiösen Ausgangspunkt der okzidentalen Denkentwicklung und der abschließenden Beurteilung der Religion als das „Andere“ der Vernunft bei Jürgen Habermas auf. Die Evangelien über das Leben Jesu gehören zur Wirkungsgeschichte und betonen wie die antignostischen Patristiker die menschliche Freiheit. Eine autonome Vernunft ist nicht gleich „säkular“, sondern vereinbar mit dem Gottesglauben.
EN: Beginning with the stations of the development towards postmetaphysical thinking, the article establishes a connection between the choice of “Pauline Christianity” as the religious point of departure of the occidental history of thought, and the concluding evaluation of religion as the “other” of reason in the argumentation of Jürgen Habermas. The gospels treating the life of Jesus also belong to the history of reception and highlight human freedom, as do the antignostic patristic authors. Autonomous reason is not merely “secular”, but compatible with faith in God.

Habermas „übersetzt“ Pascal und Kierkegaard
(151–165)
DE: Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den inneren Spannungen von Habermas’ Übersetzungsbegriff, die besonders in seiner Auseinandersetzung mit den radikalen Subjekttheologien von Blaise Pascal und Søren Kierkegaard auftreten. Hier scheinen existenzielle Bedeutungsdimensionen des Glaubens auf, die in ihrer paradoxalen Unübersetzbarkeit geradezu konsequent nachmetaphysisch sind. Damit bleibt die von Habermas zugewiesene Rolle der Vernunft als exklusives Übersetzungsmedium des Glaubens aber weiterhin fraglich.
EN: This article deals with the inner tensions of Habermas’ concept of translation, which arise particularly in his engagement with the radical subject theologies of Blaise Pascal and Søren Kierkegaard. Here, existential dimensions of the meaning of faith shine through, which in their paradoxical untranslatability are almost consistently postmetaphysical. Thus, the role of reason as the exclusive medium of translation of faith as assigned by Habermas remains questionable.

Eine praktisch-theologische Perspektive
(166–181)
DE: Jürgen Habermas wendet sich der Genealogie nachmetaphysischen Denkens zu, um aus den Lernprozessen, die anhand des Diskurses über Glauben und Wissen nachvollzogen werden können, das fragile Vertrauen der vernünftigen Freiheit in ihre eigenen Kräfte zu stützen. Doch was bedeuten diese Lernprozesse für den Glauben? Im vorliegenden Beitrag werden praktisch-theologische Impulse für eine entsprechende Selbstverortung des christlichen Glaubens in der nachmetaphysischen Moderne hergeleitet.
EN: Jürgen Habermas turns his attention to the genealogy of postmetaphysical thinking to strengthen the fragile confidence of rational liberty in its own forces due to the insights of the discourse on faith and knowledge. But what do these insights mean for present faith? In this article, practical theological impulses for a self-localization of Christian faith in the postmetaphysical modernity will be deduced
Ausgabe 1/2022

Ein Schlaglicht auf die aktuelle Diskussion zur alttestamentlichen Bundestheologie (2–14)
DE: Zu den Bundestheologien des Alten Testaments besteht in der Forschung die breite Übereinstimmung, dass der Bund in der Priesterschrift an keinerlei Bedingungen geknüpft ist, im Deuteronomium jedoch vom Einhalten von Geboten abhängig gemacht wird. Demgegenüber insistiert J. J. Krause, dass die beiden Schriften lediglich Verpflichtungen für ein Fortbestehen des Bundes kennen. An diesen Gegenentwurf richtet der vorliegende Beitrag wiederum Anfragen bezüglich der Bundesbedingungen in weiteren Textstellen der Priesterschrift.
EN: With regard to the convenantal theologies of the Old Testament, there is a wide consent in research that the convenant in the Priestly Scriptures is not linked to any conditions, but that Deuteronomy makes it dependent on the observance of commandments. In contrast, J. J. Krause insists that both texts only know of conditions that are constitutive for the continuation of the convenant. This article in turn addresses enquiries regarding the convenant conditions in further passages of the Priestly Scriptures.

Entwürfe einer Theologie des Diakonats auf dem Weg zu Lumen gentium (15–34)
DE: Durch die Wiederherstellung des ständigen Diakonats hat das Zweite Vatikanische Konzil in Lumen gentium (LG) auch eine knappe Theologie des Diakonats vorgelegt. Diese jedoch bleibt, so eine These von Otto Hermann Pesch, unklar. Um diese Unschärfe zu ergründen, zeichnet der Beitrag die Entwicklung der Diskurse um den Diakonat am Vorabend des Konzils nach. Ein Blick auf die dogmatische Diskussion in den 1950er-Jahren, die Antepraeparatoria sowie die drei Schemata aus dem Jahr 1963 zeigt die heterogenen Erwartungen, die an eine Theologie des Diakonats gerichtet waren.
EN: By restoring the permanent diaconate, the Second Vatican Council also presented a concise theology of the diaconate in “Lumen Gentium”. However, according to a thesis by Otto Hermann Pesch, this remains unclear. In order to fathom this vagueness, the article traces the development of the discourse on the diaconate on the eve of the Council. A look at the dogmatic discussion in the 1950s, the “Antepraeparatoria” as well as the three schemata from 1963 shows the heterogeneous expectations that were directed at a theology of the diaconate.

Kontextuelle Überlegungen zum Firmsakrament (35–52)
DE: Die Entscheidung des Menschen zum Glauben steht und fällt mit der vorgängigen Entscheidung Gottes zum Menschen. Das gilt auch für das Firmsakrament. Zugleich bestimmen die individuellen Belange die Feier des Sakraments. Wer im jugendlichen Alter gefirmt wird, experimentiert an sich selbst, mit anderen und in seiner Beziehung zu Jesus Christus. Das größte Wagnis ist dabei die Freiheit. Sie berührt biografisch in Anerkennung, Selbstbestimmung und Willensfreiheit die theologisch-philosophische Analyse der Freiheit.
EN: Man’s decision to believe stands and falls with God’s prior decision towards man. This is also the case with the Sacrament of Confirmation. At the same time, individual concerns determine the celebration of the sacrament. Those who are confirmed in adolescence are experi-menting with themselves, with others and in their relationship with Jesus Christ. The greatest risk here is freedom. Biographically, it touches the theological-philosophical analysis of freedom in appreciation, self-determination and freedom of will.

DE: Vor einigen Jahren wurde im Garten der Theologischen Fakultät Paderborn die Steinplastik „5 Höfe“ aufgestellt, geschaffen vom Künstler Reinhard Buxel. Der Beitrag beschreibt die künstlerische Position dieses Bildhauers und analysiert sein Kunstwerk im Hinblick auf das von ihm gewählte Material, seine skulpturale Form und seinen Standort.
EN: A few years ago, the stone sculpture „5 Höfe“, created by artist Reinhard Buxel, was erected in the garden of the Theological Faculty Paderborn. The article describes the sculptor’s artistic position and analyses his work of art with regard to the material he has chosen, its artistic form and its location.

Zur neuen Rahmenverordnung der Deutschen Bischofskonferenz (63–69)
Kurzbeitrag

Zum 90. Geburtstag von Charles Taylor (70–74)
Kurzbeitrag
Ausgabe 4/2021

DE: Anhand ausgewählter Statuten der Academia Theodoriana in Paderborn werden in diesem Beitrag die Kompetenzen der Leitungsverantwortlichen aufgezeigt. Dabei wird die Entwicklung von einer streng hierarchisch strukturierten Jesuiten-Universität zu einer (analog zu einer staatlichen Fakultät) durch ein Gremium der Universitätsgemeinschaft (Fakultätskonferenz) unter Oberaufsicht des Erzbischofs geleiteten Hochschule deutlich.
EN: By analysing some specific statutes of the “Academia Theodoriana” of Paderborn, this article shows what kind of iurisdiction was connected with the leading positions of this institution. Hereby, the development from a Jesuit-University with its strict hierarchical structure towards a university which is governed by a body of the university-community under the superintendence of the archbishop of Paderborn becomes obvious.

Der archäologische Beitrag zu den Schriftquellen (338–361)
DE: Der folgende Artikel berichtet über verschiedene archäologische Grabungen in Paderborn, die in den Jahren 2001 an der Johanniskirche, 2016 im Bereich des Schulhofes und 2019 im Pausenhof des Gymnasiums Theodorianum durchgeführt worden sind. Die Ergebnisse der Grabungen haben auf der einen Seite bestätigt, was über die Baugeschichte des Areals um die 1614 gegründete Academia Theodoriana schon bekannt war, zugleich wurden jedoch Reste der Bebauung vor Errichtung der Jesuitenuniversität entdeckt.
EN: The following article gives a report on several archaeological excavations in Paderborn, carried out in 2001 near the site of the Church of St. John, under the schoolyard of the Gymnasium in 2016 and under the enclosed playground of the Gymnasium Theodorianum in 2019. The results of the excavations confirmed to some extent what was already known about the architectural history of the area around the “Academia Theodoriana”, but at the same time some remains were discovered which date from the time before the Jesuit University was built.

Brunnen und Wasserkünste im konfessionspolitischen Ressourcenkonflikt (1596–1629) (362–391)
DE: Ressourcenkonflikte um sauberes Trinkwasser zählen zur Alltagsgeschichte der Vormoderne. Das Fallbeispiel einer lokalen „Wassernot“ um das Jahr 1600 im Paderborner Jesuitenkolleg dokumentiert eine vielschichtige Konfliktlage: Der Fall zeigt die macht- und konfessionspolitischen Frontstellungen zwischen den politischen Akteuren. In diesem hitzigen Klima von „Reformation“ und „Gegenreformation“ nutzten Fürstbischof, Landstände und Bürgerschaft Defizite in der urbanen Wasserversorgung Paderborns offenbar als konfessionspolitische Instrumente, um letztlich profane Machtinteressen durchzusetzen.
EN: Resource conflicts over clean drinking water are part of everyday history of the so-called “premodern era”. The case study of a local “water emergency” in the Paderborn Jesuit College around the year 1600 documents a multi-layered conflict situation: the case reveals the power-related and denominational political front positions between the political actors. In this heated climate of “Reformation” and “Counter-Reformation”, the prince-bishop, the estates and the bourgeoisie apparently used deficits in the urban water supply as denominational instru-ments to ultimately enforce profane power interests.
Ausgabe 3/2021

Anmerkungen zum theologischen Werk von Hermann Josef Pottmeyer (220–225)
Abdruck der Laudatio zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Herrn Prof. em. Dr. Dr. h. c. Hermann Josef Pottmeyer

Abdruck des Vortrags von Hermann Josef Pottmeyer anlässlich seiner Ehrenpromotion

DE: Die Jesus-Nachfolgenden und ihr Wirken zeigt das Markusevangelium in verschiedenen Facetten – man trifft auf Verstehen und Nichtverstehen, auf Erfolg und Misserfolg. Dabei sind es im Markusevangelium gerade Nebenfiguren, die erfolgreich in Jesu Namen wirken. Der Beitrag nimmt diesbezüglich Mk 9,38–40 („der fremde Exorzist“) und die Verbindung von Nachfolge- und Machtthematik in den Blick.
EN: The Gospel of Mark shows the Jesus-followers and their work in different ways. Mark features understanding and misunderstanding, success and failure. Minor characters are – especially in the Gospel of Mark – those who work successfully in the name of Jesus. This article looks exemplarily at Mark 9:38–40 („the independent exorcist“) and the issue of succession and power.

Zur Modernität von Friedrich Spees Cautio Criminalis (250–264)
DE: Der Beitrag stellt die Cautio Criminalis (1631) des Professors für Moraltheologie an der Paderborner Academia Theodoriana, Friedrich Spee SJ (1591–1635), mit der er sich gegen die Folter in den Hexenprozessen wandte, in einen Bezug zu sozialethischen Fragen der Gegenwart. Die den Hexenprozessen durch die Anwendung der Folter innewohnende Dynamik, die „Hexen“ und „Hexer“ „produzierte“, ist bis heute von Relevanz. Spees Denken kreiste um die von ihm als Kerkerseelsorger erlebten Pole von Autorität und Gewissen.
EN: The contribution correlates the „Cautio Criminalis“ (1631) by the moral theology professor at the Paderborn „Academia Theodoriana“ Friedrich Spee SJ (1591–1635), who argued against torture in the witch trials, with today’s socio-ethical problems. The dynamics inherent in the witch trials through the use of torture, which “produced” “witches” and “wizards”, are still of relevance today. Spee’s reasoning revolved around authority and conscience as the two poles experienced by him as a prison minister.


Eine übersehene Herausforderung (265–281)
DE: Mit dem Begriff „kontextuelle Christologie“ werden Versuche bezeichnet, Aussagen über Jesus Christus so zu formulieren, dass sie in einem bestimmten, zeit-räumlich beschreibbaren Zusammenhang verständlich werden. Während es weltweit längst üblich ist, kontextuelle Christologien zu entwerfen, fehlen in Europa bislang entsprechende Versuche. Vorliegender Artikel möchte auf diese übersehene Herausforderung hinweisen.
EN: Contextual approaches to Christology aim at making claims about Jesus Christ comprehensible by means of taking the situation of those being addressed into account. Such approaches have become widespread internationally – with the exception of Europe. In the following article, the challenge of a particular European christological approach will be displayed.

Ein Diskussionsbeitrag zur gegenwärtigen Situation des Weiheamtes (282–298)
DE: Das Verhältnis von Klerikern und Laien in der Kirche sowie die gegenwärtige Situation des Weiheamtes sind bestimmender Gegenstand aktueller Diskussion. Zentral für diesen Themenkomplex ist u. a. die Fragestellung nach dem Eintritt in den Klerikerstand und, eher selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung, auch nach dessen Verlust. Vorliegende Studie widmet sich der Betrachtung wesentlicher Aspekte materiellen Rechts zum Verlust des klerikalen Standes durch Nichtigerklärung der hl. Weihe.
EN: The relationship between clerics and laics in the Church as well as the current state of the ordained ministry dom-inates prevailing discussion. At the heart of this array of topics lies the question how to enter the clerical state and, rarely subject of scientific investigation, how to lose it or how to leave it. This study focusses on the examination of essential aspects concerning material law with regard to the loss of the clerical state by means of the declaration of nullity of ordination.
Ausgabe 2/2021

Hans Maier zum 90. Geburtstag gewidmet (105–115)
DE: Im Missbrauchsskandal ist eine tiefgreifende Legitimationskrise der Kirche deutlich geworden, die in dem Zusammenhang von sexueller Gewalt, ihrer Vertuschung und der Machtkonzentration beim Klerus begründet ist. Wie hier dargelegt wird, kann aus politikwissenschaftlicher Sicht die Struktur der Kirche als zentralistische Monarchie ohne echte Gewaltenteilung und Rechtsbindung charakterisiert werden, deren Zugang zu Leitungsfunktionen exklusiv gestaltet ist. Die Ausführungen werden mit einem Plädoyer für eine neue institutionelle Verfasstheit beschlossen, die auch Thema im Synodalen Weg ist.
EN: The abuse scandal has revealed a deep crisis of legitimacy in the Church which is rooted in the connection between sexual violence, its cover-up and the concentration of power in the clergy. As explained here, from a political science perspective, the structure of the church can be characterised as a centralist monarchy without a thorough separation of powers and legal binding, whose access to leadership functions is designed to be exclusive. The explanations are concluded with a plea for a new institutional constitution, which is also a topic in the Synodal Way.

Biblische Perspektiven (116–124)
DE: Partizipation ist ein Grundbegriff so-wohl der Ekklesiologie als auch der Politologie. Beides muss unterschieden und vermittelt werden. Der theologi-sche Begriff ist von der vollen Anteil-gabe aller Gläubigen an Gottes Gnade geprägt. Aus ihr folgt, dass alle zur vollen Teilnahme am Leben der Kirche berufen sind. Dieser Berufung muss das Recht der Kirche Raum geben, um das Zeugnis des Glaubens zu fördern.
EN: Participation is a basic concept of both ecclesiology and political science. Both must be distinguished and mediated. The theological concept is characterized by the full participation of all believers in God’s grace. From it follows that all are called to full participation in the life of the church. The law of the church must give space to this calling in order to promote the witness of faith.

Zur ekklesiologischen Bedeutung des Synodalen Wegs (125–136)
DE: Der Synodale Weg ist vor dem Hintergrund kirchlichen Machtmissbrauchs entstanden und bearbeitet ihn thematisch. Dabei ist er selbst bereits als eine performative kirchliche Gewaltenteilung zu verstehen. Das hängt mit seiner Entstehungsgeschichte und der Entscheidungsfindung zwischen DBK und ZdK zusammen, aber auch mit der Dis-position seiner Beratungen. Partizipative Beratungs- und Entscheidungsprozesse entwickeln ein neues ekklesiologisches Format – nicht zuletzt epistemischer Gewaltenteilung.
EN: The Synodal Way was created against the background of ecclesiastical abuse of power and deals with it thematically. In doing so, it itself represents a performative ecclesiastical division of powers. This has to do with its history and the decision-making process between DBK and ZdK, but also with the disposition of its consultations. Participatory consultation and decision-making processes develop a new ecclesiological format – not least of epistemic separation of powers

DE: Ausgehend vom Grundtext des Synodalforums 1 stellt der Beitrag konkrete und bereits auf der Basis des geltenden Rechts realisierbare Modelle für die Teilung der potestas regiminis exsecutiva auf diözesaner Ebene vor: die delegatio realis eines kurialen Amtsträgers, die Konturierung der Zuständigkeiten des Diözesanökonomen als Gegenüber zum Generalvikar, die umfassende Delegation von Laien zur Ausübung sakramentenrechtlicher Befugnisse und die freiwillige Selbstbindung des diözesanen Gesetzgebers und höchsten Verwalters des Bistums.
EN: Based on the „Grundtext“ of the Synodal Forum 1, the article presents concrete models for the division of the potestas regiminis exsecutiva on diocesan level, which are already feasible on the basis of current law: The delegatio realis of a curial official, the contouring of the competences of the diocesan finance officer as a counterpart to the vicar general, the comprehensive delegation of laypersons to exercise jurisdictional powers in the area of sacramental law, and the voluntary self-binding of the diocesan legislator and highest administrator of the diocese.

Zur Problematik der Personalauswahl in kirchlichen Leitungsstellen (150–162)
DE: In der Katholischen Kirche gibt es eine große Zahl leitender Stellen. Die Personalauswahl im Bereich der kirchlichen Einrichtungen ist in der Regel von der der Pfarreileitungen getrennt. Die Feststellung der Eignung für eine Leitungsaufgabe muss in allen Bereichen professionalisiert werden: Die persönliche „Kirchlichkeit“ von Bewerber(inne)n als Eignungskriterium muss durch eine Eignung zur Profilentwicklung ersetzt werden, im pastoralen Dienst ist eine Trennung von Seelsorge und Leitung notwendig.
EN: The Catholic Church has a large number of leading positions. The staff recruitment in the field of institutions normally is separated from the one in parish administrations. The ascertainment of the suitability for a leading position has to be professionalised in all fields: The criterion of personal “ecclesiasticism” of candidates has to be replaced with an ascertainment for profile development while in the pastoral ministry, a separation of spiritual welfare and leading is necessary.

DE: Für die vom Synodalforum 1 anzustoßende Reform der kirchlichen Machtordnung hat die Weiterentwicklung der Finanzverfassung eine besondere, öffentlich wenig thematisierte Bedeutung. Ein Reformbedarf wird vor allem sichtbar in den jüngsten Finanzskandalen, dem kirchenrechtlichen Hintergrund der Problemlagen und dem Vorschlag des Forums, für die Diözesanfinanzen eine verbindliche Rahmenordnung zu erlassen, in deren Mittelpunkt ein Finanzrat mit weitreichenden Mitentscheidungs- und Kontrollmöglichkeiten steht.
EN: The Forum 1 of the Synodal Path in Germany seeks to initiate a reform of the church’s power structures. Albeit hardly discussed publicly, the further development of the financial constitution of the church is crucial for such a reform. This becomes evident in light of the latest financial scandals in German dioceses and the canonical background which facilitates such problems. Therefore, the Forum proposes to establish a binding framework for diocesan finances. Central for this framework is a finance council in which church members’ representatives hold far-reaching possibilities of co-decision making and financial control.

DE: Verwaltungen haben oft eine Beharrungstendenz. Kirchliche Verwaltung muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass auch sie der Sendung der Kirche dient. Diese besteht nicht darin, Recht um seines selbst willen durchzusetzen, sondern die Gläubigen als Glieder des Volkes Gottes zum Heil zu führen, was steter Transparenz und Kommunikation bedarf.
EN: Administrations often have a tendency to be persistent. Ecclesiastical admin-istration always has to keep in mind that it participates in the mission of the Church. This does not mean to enforce law for its own sake, but to carry the faithful as members of the People of God to salvation, which requires continual transparency and communication.

Leitung in Pfarreien (184–194)
DE: In den letzten Jahren sind zunehmend größere pastorale Einheiten auf Pfarreiebene entstanden, zunächst vielfach als Zusammenschlüsse selbständiger Pfarreien, aktuell als fusionierte Großpfarreien. Der Hauptgrund dafür ist die zurückgehende Priesterzahl und damit die Leitung von Pfarreien durch Pfarrer. Es stellt sich die Frage, warum nicht Laien diese Leitung übernehmen könnten. Der vorliegende Beitrag schaut auf die rechtlichen Aspekte.
EN: In recent years, increasingly larger pastoral units have emerged at parish level. Initially often in the form of associations of independent parishes, currently as consolidated large parishes. The main reason for this development is the declining number of priests and thus the management of parishes by pastors. The question arises why laypeople cannot take on this administration. The following article focusses on the legal aspects of this question.

DE: Wie können Veränderungsprozesse in der Kirche gelingen? In den meisten Bistümern changieren die Projekte zwischen Kommunikationsprozessen mit vielen Beteiligten und strategischen Entscheidungen der Bistumsleitung. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen werden selten in Harmonie aufgenommen. Der Stil der jeweiligen Prozesse legt letztlich Zeugnis davon ab, welches Kirchen-Verständnis sich durchsetzt.
EN: How can transformation processes in the church succeed? In most dioceses, the efforts alternate between communication processes involving many participants and strategic decisions made by the administration of the diocese. These measures are rarely unanimously approved of. The style of the individual processes ultimately depends on the prevailing view of what the church should be.

Kurzbeitrag
Ausgabe 1/2021

Pastoraltheologische Perspektiven zu Hartmut Rosas Sozialtheorie (1–15)
DE: Der Soziologe Hartmut Rosa hat eine viel beachtete Theorie von Beschleunigung und Resonanz vorgelegt. Darin wird – neben anderen Bereichen – auch der Religion eine wichtige Rolle für die Bewältigung spätmoderner Entfremdungserfahrungen zugewiesen. Rosas Thesen sind kritisch zu diskutieren, bieten jedoch auch bedeutsame Ansatzpunkte für die Pastoral im Umgang mit den gegenwärtigen Beschleunigungsprozessen in der Gesellschaft wie auch mit der Erwartung an Religion und Kirche, Resonanzen zu ermöglichen.
EN: The sociologist Hartmut Rosa has presented a much-noticed theory of acceleration and resonance. It assigns an important role – among other fields – also to religion in coping with late-modern experiences of alienation. Rosa’s theses are to be discussed critically, but also offer important starting points for the pastoral care in dealing with the current acceleration processes in society as well as with the expectation of religion and church to enable resonances.

Bemerkungen zur Zölibatsdiskussion (16–34)
DE: Seit 70 Jahren wurden zahlreiche zum Katholizismus konvertierte vormals evangelische Pastöre mit Dispens von der Zölibatsverpflichtung zu Priestern geweiht. Da es sich bei der Zölibatspflicht um ein rein kirchliches Gesetz handelt, steht es dem Papst frei, Dispensen zu gewähren. So könnten etwa auch sogenannte viri probati zu Priestern geweiht werden. Von katholischen Kandidaten wird jedoch ausnahmslos die Berufung zur Keuschheit in der Ehelosigkeit erwartet. Die Spannung ist deshalb deutlich: Einerseits sollen ausschließlich zölibatsbereite Männer die Weihe empfangen, andererseits werden Männer zu Priestern geweiht, die sich offenkundig nicht zur Ehelosigkeit berufen fühlen.
EN: For 70 years, numerous protestant pastors who converted to Catholicism have been ordained priests with dispensation from the obligation of celibacy. Since the obligation of celibacy is a merely ecclesiastical law, the Pope is free to grant the dispensation. Hence, the so-called viri probati could be ordained to the priesthood as well. However, Catholic candidates are expected to be called to chastity in celibacy without exception. The tension is obvious: On the one hand, solely men who are ready for celibacy are supposed to be ordained, on the other hand, men are being ordained who obviously do not feel called to celibacy.

Die Enzyklika Fratelli tutti und der ethische Kapitalismus (35–51)
DE: Der Text interpretiert den in der Enzyklika Fratelli tutti eingeführten Begriff der politischen Liebe dahingehend, dass die mit ihm implizierte Wirtschaftsordnung dem Modell der Sozialen Marktwirtschaft entspricht. Nach drei Hinführungen wird in einem zweiten Schritt der Zusammenhang von Individual-, Ordnungsethik und Ordnungspolitik reflektiert: Eine gute Wirtschaftsordnung schafft den Rahmen, dass Menschen gut sein wollen.Dies entspricht dem Begriff politischer Liebe.
EN: The article interprets the concept of political love introduced in the encyclical “Fratelli tutti” to the effect that the economic order implied by it corresponds to the model of the social market economy. After three introductions, the second step reflects on the connection between individual ethics, the ethics of order and regulatory policy: A morally good economic order creates the framework for people to want to be good. This corresponds to the concept of political love.

Kritik der positiven Bewertung der Arbeit in theologischem Denken (52–69)
DE: Arbeit gehört nicht zum Wesen des Menschen, ist also nicht ontologisch zu verstehen, sondern hat sich historisch mit dem Kapitalismus als Arbeitszwang und als „gesellschaftliche Synthesis“ kapitalistischer Verhältnisse durchgesetzt. In den Krisen, denen Menschen aktuell ausgesetzt sind, wird die Krise der Arbeit als deren Zusammenhang erkennbar. Mit ihr stößt die kapitalistische Gesellschaft auf eine Grenze, die sie nicht mehr überwinden kann. Wenn diese Problematik als Herausforderung für die Theologie angenommen werden soll, muss sie ihr weitgehend transhistorisches Verständnis von Arbeit infrage stellen und gesellschaftstheoretische Erkenntnisse aufnehmen, die das Ganze der aktuellen Verhältnisse erkennbar machen.
EN: Work and labour are not part of the human essence and are not to be understood ontologically, but have established themselves with capitalism as a compulsion to work and the “societal synthesis” of capitalist relationships. In the crises that people are currently exposed to, the crisis of work and labour becomes recognizable as their connection. With the crisis, capitalist society faces a limit which it cannot overcome. If this problem is to be accepted as a challenge for theology, it will have to question its largely transhistorical understanding of work and incorporate socio-theoretical insights that make it possible to see the current conditions as a whole.

Die natura humana als Thema der Christologie (70–84)
DE: Um in der Christologie zu einem überzeugenden Ansatz zu gelangen, ist Jesu Christi Menschsein präzise zu bestimmen. Im Folgenden wird zuerst rekonstruiert, wie das in der altkirchlich-konziliaren Lehrbildung geschah. Sodann sollen mögliche Vertiefungen benannt werden, um vor diesem Hintergrund schließlich auf die aktuelle christologische Debatte in Großbritannien und den USA zu blicken.
EN: In order to develop a convincing Christological theory, it is necessary to define Jesus’s humanity precisely. In the following, we will, first, reconstruct how this was attempted in the early church’s conciliar statements. Secondly, with recourse to exegetical research, potential deepenings are to be named. Against this backdrop, features of the current Anglophone Christological debate shall be surveyed.

Anmerkungen zum Responsum ad dubium über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts (85–89)
Kurzkommentar



Kurzkommentar
Ausgabe 4/2020

DE: Die Ausbildung steht aufgrund der mannigfachen Krisen der Kirche im Fokus. Vielleicht zu sehr, denn die Ausbildung kann nicht alle Probleme lösen, deren Bewältigung man von ihr erwartet. Aber sie bietet ein besonderes Setting und auch einen Schutzraum, um eine Kirche zu entwerfen, zu erproben und zu üben, die in Zukunft gebraucht wird, um eine Zukunft zu haben. Es wird eine Kirche mit den Frauen sein, eine gendergerechte Kirche. Aber sie ist nicht umsonst zu bekommen, wichtige Weichenstellungen sind in der Ausbildung nötig, wenn auch nicht nur dort.
EN: Due to a variety of crises of the church, the apprenticeship is in focus. Maybe too much, since it cannot solve all the problems that it is expected to solve. But it offers a special setting and a shelter to design, test and practice a church which is needed in the future in order to have a future. It will be a church with women, a church with gender justice. But it cannot be obtained for nothing; important decisions are needed in apprenticeship, even if not only there.

Anregungen und Anforderungen für eine heutige zeitgemäße Ausbildung von Priestern (341–358)
DE: Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen im Recollectio-Haus ergeben sich folgende Anforderungen für eine zeitgemäße Ausbildung von Priestern: Selbsterfahrung im Sinne einer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst; die Kompetenz, personenbezogen kommunizieren zu können; die Fähigkeit zur Intimität, was unter anderem impliziert, angemessen mit Nähe und Distanz umgehen zu können; die offene Aussprache und Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität; die Fähigkeit zur Hingabe und Selbsttranszendenz.
EN: In light of my experience in the “Recollecio-House”, the following is needed for a contemporary education of priests: Self-experience, in the sense of having wrestled with oneself; competence in interpersonal communication; the ability for intimacy, which, among other things, implies the ability to handle closeness and distance in an appropriate manner; the ability to openly address and engage one’s own sexuality; and the ability to be devoted and self-transcendent.

Zur gegenwärtigen Befindlichkeit der Priesteramtskandidaten, ihren Anliegen und Perspektiven (372–395)
DE: Angesichts der gegenwärtigen Kirchenkrise, die sich mit der Veröffentlichung der MHG-Studie im September 2018 zugespitzt hat, steht auch die Priesterausbildung vor neuen Herausforderungen. Ausgehend von Resonanzen der Paderborner Priesteramtskandidaten auf die momentane Situation werden in dem vorliegenden Beitrag verschiedene Desiderate an die künftige Priesterausbildung formuliert. Sie sollen dabei helfen, die gegenwärtigen Krisenphänomene nicht nur passiv auszuhalten, sondern ebenso problembewusst wie konstruktiv mit ihnen umzugehen und zur Entwicklung einer neuen Kirchengestalt beizutragen.
EN: With regard to the dramatic crisis of the catholic church sharpened by the publication of the „MHG-Studie“ (= study on sexual abuse in the German catholic church since 1945) of September 2018, the formation of priests, too, is confronted with new challenges. On the basis of the personal reflections on the future of priestly formation collected by the seminarians of Paderborn archdiocese, this article emphasizes that a merely passive enduring of the crisis is not useful. On the contrary, it is necessary to contribute to a problem-conscious and also constructive development of a new form of catholic church in the future.

Zur aktuellen Bedeutung theologischer Wissenschaft in der Priesterausbildung (396–416)
DE: Dieser Beitrag arbeitet mit abstraktem Denken, Selbstrelativierung und Forschergeist drei zentrale Funktionen theologischer Wissenschaft für die heutige Priesterausbildung heraus. Dabei fokussiert der Text in einer problemorientierten Perspektive auf drei Modernisierungsphänomene, die derzeit nicht nur den Klerus, sondern die gesamte Kirche herausfordern: (fehlende) Subjektorientierung in der Seelsorge, Konversionsphänomene und naturwissenschaftliche Weltbilder in der Gesellschaft. Abschließend markiert der Text die ausbleibende Weiterentwicklung des katholischen Priesterbildes als Hindernis für die kirchliche Seelsorge und als Gefährdung für den zukünftigen Fortbestand des kirchlichen Weiheamtes überhaupt.
EN: This article reflects with abstract thinking, self-relativization and spirit of research on three key functions of theological science for the contemporary training and formation of candidates of the priest ministry. In a problem-oriented way, it focusses on three selected (late) modern phenomena that challenge the future clergy and the church as a whole: (missing) subject orientation in pastoral care, conversion-phenomena and natural-scientific views of the world. The article finally criticizes the lack of further development of the catholic conception of the priest, which handicaps pastoral care and is an immediate danger for the future existence of the catholic ordained ministry in general.

Herausgeforderter Klerikalismus im Feld der Glaubenskämpfe (417–436)
DE: Der Begriff „Priester“ weist erstens auf das Feld der Religion und damit zweitens auf andere Felder hin, in denen entschieden wird, was jeweils legitime Praxis ist und die Identität der Akteure ausmacht. Drittens bezieht sich „Priester“ auf Relationen zu anderen christlichen Feldern, die den sakramentalen Sonderstatus ablehnen, sowie viertens auf die Relation der „Amtspriester“ untereinander. Ein fünftes Feld bildet das Verhältnis zu den Laien, die aus der Semantik der Brüderlichkeit ausgeschlossen wurden. Auch Laien nehmen an den feldinternen Kämpfen teil. Dabei kippt inzwischen das innerkirchliche Machtverhältnis, das schon lange von einem Prozess der „funktionalen Demokratisierung“ erfasst wird – wer weiß, wohin?
EN: The phrase “priest” firstly implies the field of religion and thus secondly other fields. These arenas decide what is legitimate practice and what constitutes the identity of the actors. Thirdly, “priest” points to relations to other Christian fields that reject the sacramental special status, and fourthly to the relation of the “official priests” to one another. A fifth field is made up of the relation to laypeople who have been excluded from the semantics of fraternity. Laypeople also take part in the internal struggles. The balance of power within the church, which is captured by a process of “functional democratization”, is now tipping over – who knows in which direction?
Ausgabe 3/2020

Die COVID-19-Pandemie in der Sicht eines Alttestamentlers
DE: Die Pflicht zur Wahrung von Abstand zum Schutz vor gefährlichen Infektions-krankheiten ist fest in der Tora verankert (Lev 13). Die konsequente Isolation eines Kranken stellt allerdings eine Ultima Ratio dar. Die grundsätzliche Geltung dieser Regeln wird auch vom Jesus der Evangelien nicht infrage gestellt (vgl. Mk 1,40–45par.) Das Alte Testament bedenkt auch die Folgen einer solchen Isolation: Einsamkeit ist gleichbedeutend mit Tod. In der Sicht der Bibel besteht der Schutz des Lebens nicht einfach in der Sorge um das nackte Überleben. Es bedarf einer ethisch-moraltheologischen Reflexion, wie ein Schutz von Risikogruppen ohne deren soziale Isolation gewährleistet werden kann.
EN: The duty of keeping a distance in the case of dangerous infectious diseases is firmly anchored in the Tora (Lev 13). However, the strict isolation of a patient is an ultima ratio. Even Jesus does not question the fundamental validity of such regulations (Mk 1:40–45par.) The Old Testament further reflects the effects of social isolation: loneliness means death. In the Bible, the protection of life is not simply the struggle for sheer survival. A cautious ethical and moral-theological reflection is necessary to evaluate how high-risk groups can be protected without being exposed to social isolation.

Überseepost von Kaspar Rueß SJ über die Epidemie 1619/20 in der Ordensprovinz Peru
DE: Der Beitrag stellt den autografen Brief des Jesuitenmissionars Kaspar Rueß SJ (1585‒1624) vom 3. Dezember 1620 aus der Jesuitenresidenz in Santa Cruz de la Sierra im heutigen Bolivien an den Jesuitenscholastiker Philibert Nicolai SJ (1592‒1618) vor, in dem Rueß anschaulich und detailliert über die Schwierigkeiten seiner Mission unter den Indigenen sowie über eine in der Peruanischen Ordensprovinz ab Ende 1619 für zehn Monate unter der Bevölkerung grassierende Epidemie, wohl Beulenpest, berichtet.
EN: The contribution introduces a letter written by the Jesuit missionary Fr. Kaspar Ruess SJ (1585‒1624) to the scholastic Philibert Nicolai SJ (1592‒1618) in Germany from the Jesuit residence in Santa Cruz de la Sierra in present-day Bolivia on 3 December 1620. In his letter, Ruess gives a detailed and vivid account of the difficulties encountered by him during his mission among the indigenous tribes stricken by a ten-month epidemic – probably the bubonic plague – beginning at the end of 1619.

DE: Der Artikel erläutert vier Dimensionen, in denen sich unsere modernen Gesellschaften im Zuge der Corona-Krise für Fragestellungen der Religionen geöffnet haben. Die verstärkte Individualisierung ist hier als erste Dimension zu nennen, die eine große transformative Kraft für spirituelle Angebote entwickelt hat. Klassische Themen der Religion wie Kontingenz und Verletzlichkeit, aber auch Krankheit und Schuld, sind neu zu virulenten Themen unserer Zeit geworden. Schließlich erinnert die Corona-Krise daran, wie wichtig es ist, die christliche Erlösungsbotschaft in ihrem Hoffnungspotenzial für die Gegenwart auszulegen.
EN: The article tries to show four dimensions how the Corona-crisis helped religions to become relevant for modernity. The first dimension has to do with the response to the increased individualization which was possible through the virtual turn of spiritual facilities. The second and third dimension have to do with the subjects of contingency, fragility, illness and guilt which all gained new importance through the crisis. The last dimension tries to figure out how hope and salvation can become relevant within the crisis.

Christlicher Glaube in der Corona-Krise
DE: Die Corona-Pandemie dürfte die sich schon seit langem abzeichnende christliche Glaubenskrise weiter verschärft haben. So wurden Vorwürfe laut, die Kirchen seien nicht „systemrelevant“ und die christliche Gottesrede erweise sich als widersprüchlich angesichts des Leids. Zwei unvereinbare Positionen traten in den Medien auf: Während die einen behaupteten, es gebe ein Mitwirken Gottes bei der Pandemie, sagten die anderen, es gebe kein solches Mitwirken. Dieser Beitrag umreißt die Folgen dieses Widerspruchs für die öffentliche Rezeption der christlichen Gottesrede.
EN: The coronavirus pandemic will most likely have exacerbated the ongoing crisis of Christian faith. Allegations have been made that the churches turned out to be systemically irrelevant and that Christian speech about God has proven to be contradictory in the face of suffering. Two incompatible positions were held: While some insisted on God’s involvement in the pandemic, others claimed that there is no such contribution. This article outlines the consequences of this contradiction for the public reception of Christian talk about God.

DE: Die Corona-Pandemie ist der größte Einschnitt in unserer Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg. Durch das Phänomen der Medikalisierung werden brennglasartig soziale, politische und ethische Probleme gebündelt. Gesundheit wird als öffentliches Gut wahrgenommen und Krankheit als ein zu überwindendes malum physicum. Aus Sicht der katholischen Moraltheologie muss die absolut geltende Personenwürde jeder Güterabwägung vorausgehen. Im Sinne einer solidarischen Nächstenliebe muss die Frage nach dem „Sollen“ entscheidend sein, nicht die Frage nach dem menschlichen „Können“.
EN: The coronavirus pandemic is the biggest cut in our society since the Second World War. The phenomenon of medicalization has brought together social, political and ethical problems in a focal point. Health is perceived as a public good and disease as a “malum physicum” that must be overcome. From the point of view of Catholic moral theology, the absolute dignity of the person must precede any weighing of goods. In the sense of a solidary charity the question of what shall be done must be decisive, not the question of what can be done.

Sozialethische Anmerkungen zur Corona-Krise
DE: Die Corona-Pandemie übt einen ungeheuren Druck aus und erzeugt Unsicherheit. Für ihren Umgang mit Unsicherheit hat die moderne Gesellschaft, das zeigt ein Blick in die soziologische Gegenwartsdiagnose, bestimmte Reaktionsformen ausgebildet, die sich vor allem in der Risiko- und Krisenkommunikation beobachten lassen. Diese durch Reflexhaftigkeit gekennzeichneten, häufig mit Moralismus und Sachzwanglogik verbundenen Reaktionsformen sind aus ethischer Sicht problematisch, weil sie die für Reflexion nötigen Spielräume verschließen. Der Umgang mit Unsicherheit müsste stattdessen den mühsameren aber belastbareren Weg wählen und diskursive Formen annehmen.
EN: The COVID-19 pandemic creates enormous pressure and insecurity. As sociological analyses of the present show, modern society has set up particular forms of reaction for coping with insecurity, which can especially be observed in risk- and crisis communication. These forms of reaction that are often characterised by reflex and linked to moralism and a logic of inherent necessity are problematic from an ethical point of view because they do not leave room for reflection. The handling of insecurity should instead adopt a more tedious but also more reliable route and take on discursive forms.

Kirchenrechtliche Schlaglichter
DE: Die Corona-Pandemie veranlasste die staatliche Autorität zu Restriktionen, die auch das religiöse Leben einschränkten – doch waren diese mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit vereinbar? Auch die kirchliche Autorität setzte eine Reihe von Vorgaben – doch wie war es um deren formalrechtlichen Charakter bestellt? Zudem gab es im kirchlichen Leben eine Vielzahl von „Notlösungen“ mittels neuer sozialer Medien – inwieweit geben diese direkt oder indirekt Impulse für die „normale“ Seelsorge?
EN: The coronavirus pandemic caused state authority to impose restrictions that also limited religious life – but were these compatible with the fundamental right to religious freedom? The church authority also set a number of guidelines – but what about their formal legal character? In addition, there were a variety of makeshifts in church life by means of new social media – to what extent do these directly or indirectly give impulses for “normal” pastoral care?

Kirchliche Festkultur in herausfordernden Zeiten
DE: Die Lockdowns, aber auch die teilweise sehr einschränkenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen lösten seit Beginn der Corona-Krise 2020 Diskussionen über eine angemessene Feier des Gottesdienstes in diesen herausfordernden Zeiten aus und betrafen die kirchliche Festkultur insgesamt. Exemplarisch sollen in diesem Beitrag daher zwei ortskirchlich wichtige Feste in Deutschland und ihre Durchführung im Jahr 2020 vorgestellt werden: das Liborifest in Paderborn und das Korbiniansfest in München und Freising.
EN: In the face of lockdowns and other very restrictive protection and hygiene measures during the corona crisis of 2020, there have been discussions about the adequate celebration of religious services in these difficult situations. They have been a challenge for the Church’s festive culture as a whole. As an example, in this article the author presents two feasts which are highly important to local churches in Germany – the feast of St Liborius in Paderborn and the feast of St Corbinian in Munich and Freising – and how they were celebrated in 2020.


Pastoralpsychologische Perspektiven der Corona-Krise
DE: Die Corona-Pandemie ist ein Jahrhundertereignis: weltweit, unvorhersagbar im Zeitpunkt, ohne bewährte Bewältigungskonzepte. In diesem Beitrag werden die direkten psychischen Folgen bei Erkrankten und die indirekten psychischen bzw. psychosozialen Folgen bei mittelbar Betroffenen und in der Gesamtbevölkerung dargestellt. Krisen erzeugen Deutungs- und Handlungsbedarf. Die Botschaft des Glaubens lautet: Der Mensch in der Krise ist Gottes Anliegen. Der Handlungsauftrag an die Kirche lautet: Diakonisches Engagement durch Hinzukommen und Mitgehen. Dies ist die Chance für einen neuen Schwerpunkt in der Pastoral.
EN: The COVID-19 pandemic may be considered a “once-in-a-century” event: global, unforeseen, without proven therapies or containment strategies. The following article explores the immediate psychological consequences for those who are affected with COVID-19, as well as the psychological and psychosocial effects among those indirectly affected, and in the general population. Crises demand both interpretation and action. From the perspective of Christian faith, the person in crisis is God’s concern. The church is now called to committed diaconal encounter through engagement and accompaniment—a veritable opportunity for a new focus in pastoral ministry.

Pastoral in Zeiten von Corona
DE: Die Frage, wie die Kirche in der Corona-Pandemie möglichst viele ihrer Aktivitäten aufrechterhalten kann, führt zu einer falschen Logik. Die pastorale Praxis der Kirche sollte sich stattdessen an einer Mahnung Alfred Delps ausrichten. Er forderte die „Rückkehr der Kirchen in die Diakonie“. Mit der selbstlosen Verausgabung im Dienst für die Menschen leistet die Kirche die Hilfe, die in Zeiten von Corona von ihr gefordert ist, und erfüllt zugleich die Botschaft vom Heil Gottes.
EN: The question how the church can keep up as many of its activities as possible during the corona pandemic results in a false logic. The church’s pastoral practice should instead align with a warning by Alfred Delp. He demanded a “return of the church to diaconia”. With its selfless care for the people, the church provides the support that is needed in times of corona and simultaneously fulfills the message of God’s salvation.