Am Montag, 20. Januar, sprach Prof. Dr. Hans Zollner vor dem vollbesetzten Auditorium Maximum im Rahmen der Montagsakademie über die Geschichte des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche und die angewandten bzw. theologisch zielführenden Aufarbeitungsstrategien. Der Jesuit Prof. Dr. Hans Zollner, Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, ist einer der führenden kirchlichen Fachleute auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche. Seit 2014 ist er Mitglied der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und Leiter des Centre for Child Protection (CCP) in Rom.
Professor Zollner ging in seinem Impuls zunächst der von Foucault formulierten These nach, dass es nicht die Frage sei, wie Macht sich manifestiert, sondern wie sie ausgeübt wird. Inhaber des Weiheamtes erhielten durch ihre Berufung und Ermächtigung durch die Institution Kirche eine Machtposition, die ihnen die Möglichkeit böte, asymmetrisch Macht über andere auszuüben. Dies könne förderlich, aber auch missbräuchlich geschehen. Die Machtposition des Weiheamtes begründet aber, so führte Hans Zollner weiter aus, die für Priester viel höhere Fallhöhe, weil sie sexuelle Gewalt und Missbrauch unter dem Vorwand der Zuwendung und der pastoralen, spirituellen Sorge ausübten. Diese Taten führten bei den Opfern zum Verlust des Grundvertrauens, des Glaubens und einer verlässlichen Gottesbeziehung. Priester, deren Aufgabe es sei, die Menschen zum Glauben an Gott hinzuführen, zerstörten durch ihre Tat eben diesen Glauben. Es sei die erste Aufgabe der Kirche, diesen Missbrauch zu verhindern.
Die Aufarbeitung dieser Taten erfordere echte Reue, ein klares Bekenntnis der Schuld sowie den Versuch und die Umsetzung der Wiedergutmachung bei den Opfern. Die Institution Kirche und ihre Repräsentanten hätten aber stattdessen oftmals mit Verleugnung, Vertuschung, Rückzug und der Verweigerung der Zusammenarbeit bzw. Kommunikation mit dem Staat und der Gesellschaft reagiert. Die Aufarbeitung des Missbrauchs in der Öffentlichkeit wurde als existenzielle Bedrohung für die Institution angesehen. Die daraus resultierende Strategie, den Skandal durch Vertuschung und Leugnung zu vermeiden, provozierte in der Folge erst recht einen Skandal, der die Kirche in ihren Grundfesten durch den erlittenen Vertrauensverlust erschüttert.
Eine Lösungsmöglichkeit stellt für Professor Zollner der mit der Bischofskonferenz 2019 eingeschlagene Weg dar. Durch die Übernahme von Verantwortung, der Schaffung von Verantwortlichkeiten und einer geregelten Rechenschaftspflicht soll in der Institution Kirche Transparenz nach innen und außen geschaffen werden. Außerdem sollten theologische und spirituelle Brücken gebaut werden, um die Einheit der Kirche und ein gedeihliches Miteinander Aller zu erreichen. Das Publikum diskutierte nach dem Vortrag angeregt mit Hans Zollner.
In der nächsten Woche spricht im Rahmen der Montagsakademie Prof. Dr. Wolfgang Weig, Osnabrück, mit Regens Dr. Michael Menke-Peitzmeyer und Spiritual Christian Städter vom Priesterseminar Paderborn, über die „Seelische Gesundheit in kirchlichen Berufen gegen die ekklesiogene Depression. Was tragen Beziehung, Intimität und gedeihliche Geschlechterbeziehungen dazu bei?“. Die Veranstaltung beginnt am 27. Januar 2020 um 18 Uhr im Auditorium Maximum der Theologischen Fakultät Paderborn und wird über YouTube übertragen.