„Die Kirche muss wieder Vertrauen stiften“

Auftakt des Diskussionsformats „rethinking religion“ im Paderborner Rathaus

Woher wissen wir, was richtig ist? – dazu diskutierten im Rahmen des Diskussionsformats „rethinking religion“ am Montagabend die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und Münchner Medizinethikerin, Alena Buyx, der Paderborner Frühneuzeithistoriker Johannes Süßmann und der Dortmunder katholische Systematische Theologe Martin Breul vor großem Publikum im historischen Rathaus der Stadt Paderborn.

Was sind Quellen des moralischen Handelns Welche Rolle spielt die Religion?

Im Zentrum der Diskussion stand dabei die Frage nach den Quellen moralischen Handelns und nach der Rolle der Religion als bleibender Ressource normativer Selbstverständigung in zersplitterten Gesellschaften.

In ihrem Impulsvortrag unterschied Alena Buyx zwischen inneren moralischen Quellen und deren rationaler Legitimation im öffentlichen Diskurs. Um in pluralen Gesellschaften zu moralischer Urteilsbildung zu kommen, müsse zwangsläufig von starren ethischen Konzepten abgesehen und eine Einigung auf gemeinsame Prinzipien mittlerer Reichweite angestrebt werden. Gerade als innere Quelle der Moral spiele jedoch auch Religion noch immer eine äußerst große Rolle für viele Menschen, überhaupt moralisch handeln zu wollen. „Für die Kirche“, so Buyx, „ist es noch nicht zu spät, verlorenes Vertrauen in den Glauben zurückzugewinnen.“ Viele Menschen, die der Kirche den Rücken zugekehrt hätten, suchten weiterhin nach Orientierung aus der Tradition, mit der sie sich identifiziert hatten.

Johannes Süßmann stellte den Begriff politischer Klugheit in den Fokus. Klugheit erlaube eine Reduktion der Wissensansprüche moralischer Urteilsbildung auf bestimmte Situationen und so eine Zurückweisung totalitärer – religiöser oder säkularer – ethischer Systeme.

Martin Breul nahm besonders Bezug auf die Relevanz religiöser Überzeugungen für die Verständigung im öffentlichen Diskurs. Religiöse Aussagen könnten demnach semantische Überschüsse bereithalten, die in säkularen Ethiken nicht auszudrücken wären. Als Beispiel nannte Breul den Begriff der Schöpfung, der offenkundig auch vielen Menschen etwas zu sagen habe, die nicht religiös sozialisiert seien.

Urteilsbildung in pluralen Gesellschaften

In der Diskussion zeigte sich unter den Vortragenden Einigkeit über die Notwendigkeit einer verständigungsorientierten Methode moralischer Urteilsbildung in pluralen Gesellschaften. Während Buyx allerdings mit Verweis auf die Praxis des Ethikrates herausstellte, dass eine Orientierung an den individuellen religiösen oder säkularen Quellen der Moral eine öffentliche Verständigung eher blockiere als diese befördere, sah Breul die Aufgabe kritischer Öffentlichkeit gerade darin, Übersetzungsangebote der jeweiligen Quellen anzubieten und so über die bloße Verständigung hinaus eine gemeinsame Grundlage des Argumentierens zu stärken. Süßmann wies hingegen auf die Grenzen ethischer Diskurse insgesamt hin und hob den Beispielcharakter der Praxis als entscheidende Quelle richtigen Handelns hervor.

Beim anschließenden Empfang konnten die Gäste im gut gefüllten Rathaus noch ausführlich mit den Vortragenden und miteinander ins Gespräch kommen.

Veranstalter Aaron Langenfeld, Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn, zeigte sich hoch zufrieden: „Die lebendige Diskussion und das große Interesse der Stadtbevölkerung am Thema und den Diskutanten zeigt die bleibende Relevanz der großen Fragen. Man konnte sehen, dass Theologie dazu beitragen kann, diese Fragen auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das zu leisten wird auch weiterhin unser Ziel mit „rethinking religion“ sein.

„rethinking religion – Gespräche über Religion im Erzbistum Paderborn“ ist ein Diskussionsforum, das gemeinsam vom Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft, Prof. Dr. Aaron Langenfeld, und von der Professur für Katholische Religion an der Technischen Universität Dortmund, Prof. Dr. Dr. Martin Breul, organisiert wird. Die jährlich zwei Veranstaltungen mit namhaften Podiumsgästen zum jeweiligen Thema finden abwechselnd im Frühjahr in Paderborn und im Herbst in Dortmund statt.

Das Thema der nächsten Veranstaltung lautet „Wovor haben wir Angst?“; die Gäste werden frühzeitig bekanntgegeben.

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