Graduiertenkolleg realisiert komplett virtuelles Arbeitstreffen

„Die Aufgabe der Kirche“ war das Thema der Stipendiatinnen und Stipendiaten.

„Kirche-Sein in Zeiten der Veränderung“ – der Name des Graduiertenkollegs wurde vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie zum Programm: Der Thementag am 19. Juni 2020 fand mit 18 Personen rein virtuell statt, aber mit den für eine Konferenz üblichen Elementen wie Impulsvorträgen, Diskussionen und Gruppenarbeitsphasen. Lorenz Reichelt (auf dem Foto links) und Konstantin Kamp (dritte Zeile auf dem großen Bildschirm rechts), Stipendiaten des Graduiertenkollegs und Organisatoren dieses Treffens, realisierten das Arbeitstreffen in dieser innovativen Form mit der Lernplattform der Fakultät, einem Videokonferenzsystem und einer Software, die die Visualisierung der Ergebnisse der Gruppenarbeitsphasen unterstützt. So setzten sich die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des Graduiertenkollegs „Kirche-Sein in Zeiten der Veränderung“ positiv mit der Kirche auseinander und fragten danach, worin eigentlich die Aufgabe der Kirche heute besteht.

Dr. Georg Bergner (auf dem kleinen Bildschirm) hat sich in seiner 2018 veröffentlichten Dissertationsschrift eingehend mit der ekklesiologischen Leitmetapher „Volk Gottes“ und damit auch mit der Frage befasst, was das Zweite Vatikanische Konzil insgesamt über die Kirche lehrt. Er sprach in seinem Online-Vortrag zum Thema „Die Aufgabe der Kirche: Ein Antwortversuch mit dem II. Vatikanum“ und legte damit die theologische Grundlage für das weitere Nachdenken der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dabei knüpfte er implizit an den ersten Thementag der Graduiertenkollegs an, als er diagnostizierte, dass es noch nicht den einen pastoraltheologischen Entwurf gebe, der angesichts der aktuellen Transformationsprozesse für die Kirche einen Weg für die nächsten Jahre und Jahrzehnte vorzeichne hinsichtlich der Frage, wie Seelsorge aussehen kann.

Ausgehend von den Entwicklungen vor dem Konzil arbeitete Bergner im Blick auf die heutige Aufgabe der Kirche drei Rezeptionslinien des II. Vatikanums heraus, nämlich die Kirche als Glaubensgemeinschaft, die Notwendigkeit der Reform der Institution sowie die Kirche als Sakrament. Die ekklesiologischen Impulse von Papst Franziskus sieht er dazu als Ergänzung an, die nur über Umwege aus der Konzilsrezeption hervorgehen und einen Schwerpunkt auf Mission und Evangelisierung legen, die Armen in den Vordergrund stellen sowie auf die Verantwortung für die Umwelt zusätzliche Akzente setzen. Unter anderem über eine Chatfunktion wurden online Rückfragen und Redebeiträge eingereicht und angemeldet und dann in der Videokonferenz besprochen. So war die Rednerliste während der Diskussionen im Plenum stets mit relevanten Beiträgen gefüllt.

Im zweiten Teil des Thementages wurde im Rahmen von virtuellen Themenräumen in Online-Kleingruppen über unterschiedliche zeitgenössische Ansätze zu Pastoral und Gemeindeerneuerung wie fresh expressions oder nordamerikanische Modelle wie Rebuilt und Divine Renovation gesprochen und diese auf ihre theologische Tragfähigkeit hin befragt. In der Abschlussdiskussion wurden Parallelen zwischen den verschiedenen möglichen Schwerpunktsetzungen hinsichtlich der Aufgabe der Kirche, wie sie Bergner vorgestellt hatte, und den verschiedenen praktischen Ansätzen deutlich. Dabei waren einerseits Anmerkungen zentral, die zielgerichteteres Vorgehen in der Seelsorge auf Basis geeigneter, unterschiedliche Stärken berücksichtigender Führungsmodelle anmahnten. Andererseits wurde besonders betont, dass die Kirche in ihrer Verantwortung für verschiedenste Personengruppen nicht von oben herab bestimmte Modelle durchsetzen dürfe, sondern verschiedenen ekklesiologischen Akzentuierungen, verschiedenen pastoralen Modellen und unterschiedlichen Kulturen Raum geben müsse. Der Online-Thementag hätte angesichts der vielfältigen eingebrachten Perspektiven durchaus noch deutlich längere Gesprächszeiten in den verschiedenen kleineren und größeren Runden füllen können. Dass die postgraduierten und einige professorale Mitglieder des Graduiertenkollegs, einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Erzbischöflichen Generalvikariat sowie der in Wissenschaft und Praxis bewanderte Hauptreferent in dieser Zusammensetzung in Dialog kommen konnten, erwies sich dabei als fruchtbar.

Das Graduiertenkolleg „Kirche-Sein in Zeiten der Veränderung“ unter Einbeziehung aller theologischen Fächergruppen besteht seit Oktober 2018 an der Theologischen Fakultät Paderborn. Im Rahmen dieses Graduiertenkollegs fanden bereits mehrere Studientage statt, die sich dem Phänomen der Transformation ebenso wie der aktuellen Situation der Kirche widmeten. Missbrauchskrise und Vertrauensverlust sind nur zwei Stichworte, die komplexe kirchliche Problemfelder unserer Zeit benennen und zu einem neuen Nachdenken drängen. Ausgangspunkt für die dieses Mal getroffene Themenwahl waren Impulse, gegeben von den Stipendiatinnen und Stipendiaten selbst in einer Feedbackrunde nach dem letzten Thementag im November 2019, auch praktische Ansätze im Rahmenprogramm des Graduiertenkollegs nicht außen vor zu lassen.

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