Prof. Dr. Herbert Haslinger, seit 2002 Lehrstuhlinhaber für Pastoraltheologie, Homiletik, Religionspädagogik und Katechetik an der Theologischen Fakultät, referierte vor einem voll besetzten Auditorium Maximum über „Sexualität und Macht. Ein Problemknoten des Weiheamtes“. Dieses Thema sprach ein auffallend heterogenes Publikum aus allen Altersstufen an, Laien ebenso wie Priester und Ordensleute, Studierende ebenso wie Berufstätige.
Professor Haslinger stellte die Thematik Sexualität und Macht anhand der Problemfelder Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, Sexualität als Gegenfolie des Weiheamtes, Praktiken des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und Zölibatsverpflichtung dar. Er richtete den Fokus des Publikums auf die Beweggründe der Kirche für den gezeigten Umgang mit der Sexualität und auf die damit verbundene Machtausübung. Wenn Amtsinhaber ihre Kirche als glaubwürdige und für das Leben der Gläubigen Normen setzende Institution schützen und stabilisieren wollen würde die Kirche oftmals als Opfer stilisiert, führte er aus. Das sei z.B. der Fall, wenn behauptet wird, die 1968er-Bewegung habe die Kirche zum wehrlosen Opfer einer Gesellschaft gemacht, die Pädophilie erlaube. Auch bestehe, so Professor Haslinger weiter, die Gefahr, dass sich die Opfer durch die Beteuerung tiefer Betroffenheit im Rahmen der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nochmals auf subtile Weise dafür funktionalisiert fühlen, das Ansehen der Kirche in der Gesellschaft zu wahren. „Den Opfern sollte aber primär durch die Instanz der Justiz Gerechtigkeit widerfahren“, führte Professor Haslinger aus, „und nicht nur durch die Aufklärungsarbeit der Institution Kirche“. Mit einem prägnanten Bild schloss Professor Haslinger: Auf die Kirche sei „kein ‚Anschlag von außen´ verübt worden, wie er sich z.B. beim Einschlag der Flugzeuge in das World Trade Center am 11. September 2001 ereignet hat, sondern die Kirche als `Gebäude´ sei eingestürzt, weil die verantwortlichen Kräfte innerhalb des Gebäudes sich falsch verhalten und so die Statik gefährdet hätten wie bei der Brücke von Genua“. Er plädierte ebenso wie Professor Kopp in seinem Schlusswort dafür, als kritische und selbstkritische Theologie über die Überwindung des Missbrauchs von Macht in der Kirche nachzudenken, und diskutierte angeregt mit dem Publikum über die aufgeworfenen Problemfelder.
Am kommenden Montag widmet sich Prof. Dr. Peter Schallenberg, Lehrstuhlinhaber für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn in seinem Vortrag im Rahmen der Montagsakademie dem Thema „Was ist der Wille Gottes für mich? Seelenführung als Chance und Gefahr“.
Mit „Macht und Ohnmacht in der Kirche“ stellt die Montagsakademie der Theologischen Fakultät Paderborn im Wintersemester 2019/2020 ein brisantes Thema in den Fokus der Veranstaltungsreihe. Missbrauchskrise und Vertrauensverlust sind nur zwei Stichworte, die komplexe kirchliche Problemfelder unserer Zeit benennen und zu einem neuen Nachdenken drängen. Welche Denkfiguren und Handlungsmuster prägen die Theologie und die kirchliche Praxis? Was kann getan werden, um sich neu an der Botschaft des Evangeliums auszurichten, Klerikalismus in der Kirche zu überwinden und seelsorgerliche Wegbegleitung mit geistlicher Autorität, aber ohne Missbrauch von Macht zu ermöglichen?
Die Montagsakademie ist eine öffentliche Vorlesungsreihe der Theologischen Fakultät Paderborn. Als lebendiges Forum konzipiert stellen sich renommierte Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche und Wissenschaft in jedem Wintersemester einem ausgewählten Thema oder einer aktuellen Fragestellung der Zeit, treten in einen Dialog miteinander und dem Publikum und versuchen, aus ihrer Expertise heraus Lösungsmöglichkeiten bzw. Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Die Essenz der Vorträge, Diskussionen und Gespräche werden jährlich als wissenschaftliche Publikation herausgegeben. Die Montagsakademie findet seit 2007/2008 in jedem Wintersemester immer montags um 18.00 Uhr im Auditorium Maximum (Klingelgasse/Ecke Liboristraße) der Theologischen Fakultät Paderborn statt. Sie ging aus der im Wintersemester 1994/1995 ins Leben gerufenen Seniorenakademie hervor.