Die Kirche fungierte über die gesamten 2000 Jahre ihres Bestehens hinweg als Instanz, welche den Menschen hinsichtlich ihrer Sexualität Orientierung zu geben hat. Immerzu wurden auch Spannungen, gar Widersprüche zwischen der katholischen Sexualmoral und der Botschaft Jesu empfunden. Aber erst im Zuge der gesellschaftlichen Umbrüche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die speziell eine umfassende sexuelle Liberalisierung einschlossen, wurde diese Rolle der Kirche innerhalb kurzer Zeit brüchig. Die Aufdeckung der Fälle sexuellen Missbrauchs in den letzten zwei Jahrzehnten führte schließlich zu einer Paralysierung der Kirche hinsichtlich ihrer Funktion als Instanz der Normierung sexuellen Lebens. Zur Disposition steht folglich die Orientierungsrelevanz der Kirche in Sachen Sexualität.
Prof. Dr. Peter Schallenberg, seit 2008 Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn.