© Lanzinger | ThF Paderborn

Der Ratschluss Gottes im lukanischen Doppelwerk (DFG-Projekt 430899569)

Das DFG-Projekt (2020–2025) widmet sich einem zentralen Motiv lukanischer Theologie: Gott hat einen Plan für die Menschen. Aber wie wird er zur Umsetzung gebracht, und welche Rolle spielt dabei die menschliche Mitwirkung?

„Ich habe es nicht versäumt, euch den ganzen Ratschluss Gottes mitzuteilen“ (Apg 20,27): Das behauptet Paulus im Rahmen seiner Abschiedsrede in Milet. Auch sonst ist in den beiden lukanischen Schriften des Öfteren vom „Ratschluss“ (βουλή) oder vom „Vorauswissen“ (πρόγνωσις) Gottes die Rede (vgl. Lk 7,30; Apg 2,23; 4,28; 5,38; 13,36). Es hat daher eine sachliche Berechtigung, dass die Forschung Lukas eine „Theologie der Vorsehung“ attestiert.

Für ein angemessenes Verständnis dessen, was Lukas „Ratschluss“ und die Forschung meist „Vorsehung“ nennt, ist jedoch entscheidend, dass Lukas vor allem ein erzählender Theologe ist: Worin der ganze Ratschluss Gottes inhaltlich bestehen soll, erklärt Lukas seinen Leserinnen und Lesern an keiner Stelle im Klartext. Vielmehr räumt er ihnen einen Interpretationsspielraum ein und setzt auf ihre kognitive Mitarbeit. Was Gott für Jesus und die ihm Nachfolgenden vorsieht und wie dieser göttliche Plan aus menschlicher Sicht ermittelt und umgesetzt werden kann, kann daher nicht allein an einer bestimmten Semantik festgemacht werden. Das erste Teilziel des Projekts besteht deshalb darin herauszuarbeiten, wie Lukas als Erzähler das Motiv vom „Ratschluss“ Gottes narrativ entfaltet. Hierbei kommen Methoden der Erzähltextanalyse zum Einsatz. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf der Erzähltechnik der diskrepanten Informiertheit: Durch einen vom Erzähler arrangierten Wissens- und Verstehensvorsprung der Rezipierenden gegenüber den Erzählfiguren kommt es zur Erzeugung neuer und für die lukanische Theologie entscheidender Bedeutungsaspekte, die es herauszuarbeiten gilt.

Ein zweites Teilziel besteht darin, dem lukanischen Konzept vom göttlichen Ratschluss durch einen religionsgeschichtlichen Vergleich schärfere Konturen zu verleihen. Dazu sollen exemplarische Vertreter verschiedener narrativer Gattungen (Geschichtsschreibung, Roman, Epos) herangezogen werden, die mit dem Konzept einer göttlichen Lenkung der Geschichte arbeiten.

Divine Providence in Luke-Acts

This project aims at a comprehensive elaboration of a central theological motif in Luke-Acts, i.e. the providence of God. The starting point is the observation that numerous standard works on Luke-Acts claim that its author represents a “theology of providence” although the corresponding Greek term (pronoia) does not occur in the text in this sense. While the notion of “providence” prominently appears in almost all ancient genres, Luke prefers to speak of the „decree“ or „foreknowledge“ of God. This raises the question of how to define Luke’s way of conceptualizing and narrating God’s providential agency within the framework of the ancient discourse on providence.

Methodologically, the examination shall advance in two steps. Drawing upon the insight of previous research that Luke’s predominant way of doing theology is by narrating, the first step will be to examine the narrative techniques he uses to elaborate his concept of divine foreknowledge. This analysis will use the methods of narratology. The working hypothesis is that discrepant awareness, which is understood as a difference in either knowledge or comprehension between the characters of a text and its readers, is Luke’s narrative key technique to elaborate his concept of a divine plan.

In a second step, the results shall be contextualized by a comparison with exemplary texts of different genres (historiography, novel, epic). The working hypothesis is that the author of Luke-Acts avoids the term “providence” but uses narrative structures that ancient readers would typically relate to the idea of a divine guidance. In contrast to much previous research, the aim is not to uncover literary dependencies, but to appreciate Luke-Acts as an original work with its own literary and theological perspective within a contemporary discourse.