Die auch in diesem Wintersemester digitale Montagsakademie der Theologischen Fakultät Paderborn unter Leitung von Prof. Dr. Herbert Haslinger stellt „Denkerinnen und Denker, die uns heute etwas zu sagen haben“ in den Mittelpunkt. In der neunten online-Vorlesung am 20. Dezember 2021 um 18 Uhr spricht Prof. Dr. Peter Schallenberg, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn, über Selma Lagerlöff und Franz Werfel.
Theologen und Amtsträger der Kirche dürfen sich nicht einbilden, nur sie könnten fundiert über Religion und Glaube nachdenken. Tiefgreifende und anregende Gedanken dazu verdanken wir auch der Welt der Literatur. Man denke nur an die russischen Schriftsteller wie Fjodor M. Dostojewski oder Leo Tolstoi. In der Vorlesungsreihe repräsentieren eine Schriftstellerin und ein Schriftsteller, für sich genommen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, dieses Glaubensdenken der Literaten. Die Literaturnobelpreisträgerin Selma Lagerlöf, einem breiten Publikum bekannt vor allem durch das Kinderbuch „Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen“, behandelte in ihren Werken immer wieder religiös virulente Themen: die notwendige Sühne von Schuld, die versöhnende Kraft der Liebe, die durch ein Heim vermittelte Geborgenheit. In dem Buch „Die Wunder des Antichrist“ trat sie für eine Verbindung von Christentum und Sozialismus ein. Eine andere Verknüpfung von Literatur und Glaubensdenken begegnet bei Franz Werfel, der sich selbst als „christusgläubigen Juden“ bezeichnete. Wie so viele Juden musste er vor den Nationalsozialisten fliehen und ins Exil gehen. Dass er dabei unter anderem Zuflucht in dem Städtchen Lourdes fand, gab den Anstoß zu seinem berühmten Roman „Das Lied von Bernadette“, der sein Interesse am Katholizismus markierte, aber keine Abwendung vom Judentum bedeutete.